Brauche ich Vorbilder? | #autor_innensonntag

Mehrere Reihen alter Bücher auf einem Antiquariatstisch. Darüber steht: "Autor:innensonntag: Literarische Vorbilder" | © Claus R. Kullak | crk-respublica.de

Justine Pusts wöchentliche Frage an Autor:innen erkundigt sich dieses Mal nach den literarischen Vorbildern beziehungsweise danach, ob man sie haben muss.

Brauche ich Vorbilder? Im Grunde frage ich mich das gar nicht. Die Vorbilder kamen von ganz allein. Und es waren immer diese Vorbilder, die mich zum Schreiben gebracht haben. Früh waren es Franz Kafka und Devon Graves aka. Buddy Lackey. Heute zählen dazu auch Hans Bemmann und Christoph Ransmayr.

Nachdem in der Schule Deutsch zu meinem Lieblingsfach geworden war, erhielt ich zunehmend Einblicke in uneigentliches Sprechen, so wie es Franz Kafka betreibt (dessen „Prozess“ wir lasen): Er scheint von etwas zu sprechen, spricht aber tatsächlich von etwas ganz anderem und von sehr viel mehr. Mich faszinierte das Rätselspiel aus Verschlüsseln und Entschlüsseln. Ich mochte die starken sprachlichen Bilder. Und mir gefiel die Idee über das Besondere hinaus das Allgemeine zu erforschen.

Über meine Liebe zur Musik kam bald Devon Graves als Vorbild dazu – oder Buddy Lackey, wie er sich damals nannte. Er ist Sänger und Texter der Progressive-Metal-Band Psychotic Waltz. Bei ihm fand ich die starken Bilder wieder. In diesem Fall waren sie gepaart mit einer starken psychedelischen Komponente: Seine Metaphern und sprachlichen Bilder wucherten oft über das Entschlüsselbare hinaus. Vor allem waren sie unmittelbar emotional zu erfahren.

Zehn Jahre später stieß ich auf Hans Bemmann, einen deutschen fantastischen Autor. Ich habe verschiedenes von ihm gelesen, etwa den dystopischen Roman „Erwins Badezimmer“. Besonders beeindruckt hat mich der High-Fantasy-Roman „Stein und Flöte … und das ist noch nicht alles“. Der märchenhafte und sogar im märchenhaften Duktus geschriebene Roman hat mich in vielerlei Hinsicht beeindruckt. Beispielsweise weil der Klang der Worte oft den Inhalt nachahmt. Unnötig zu sagen, dass auch dieser Roman allegorisch gelesen werden kann.

Die Sprachgewalt von Christoph Ransmayr ist noch größer. In „Die letzte Welt“ rezipiert er Ovids „Metamorphosen“, indem er schon vom ersten Satz an Gegenstände, Figuren, die ganze Welt und die Sprache selbst sich fortwährend verwandeln lässt. Dazu macht er die Figuren der „Metamorphosen“ zu den Einwohner:innen von Ovids Exilstadt Tomi und erweckt die Mythologie zu neuem Eigenleben. Der Roman ist außerdem post-modern und erweitert unsere Vorstellung davon, wie und was ein Roman sein kann, explosionsartig – wie viele der Romane dieser Strömung.

Klar gibt es noch viel mehr Einflüsse und Lieblingsautor:innen und Menschen, welche in der einen oder anderen Weise literarische Vorbilder sind. Vor allem all diejenigen, die es tatsächlich schaffen zu schreiben! Aber diese vier Namen drängten sich mir bei der Frage zum #autor_innensonntag spontan auf.

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